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Anreiz-Problematiken in der Wissenschaft
Stellungnahme
Leistungsindikatoren sind im heutigen Wissenschaftssystem allgegenwärtig. Ob es um die Verteilung begrenzter Mittel, um die Bewertung von Forschungsergebnissen oder auch um die Einordnung persönlicher Karriereverläufe geht – in all diesen Fällen kommt eine Vielzahl von Indikatoren zum Einsatz. Warum ist dies problematisch?
Zum einen sind die verwendeten Indikatoren oft nur begrenzt aussagefähig bzw. messen nicht das, was sie vermeintlich abbilden sollen – hier gilt: hitting the target, but missing the point. Zum anderen haben Indikatoren Rückwirkungen auf das, was sie messen – teilweise intendiert (wenn man ‚messen‘ sagt, aber ‚lenken‘ meint), teilweise unbeabsichtigt, etwa wenn Individuen besonders gut abschneiden wollen und nach dem Motto gaming the system verfahren. Insgesamt führt das aktuelle (Mess-)System damit zu expliziten und impliziten Anreizen, die das Verhalten von Wissenschaftler*innen institutionell beeinflussen, aber nicht notwendigerweise zu besserer Forschung und Lehre führen. Um dies zu ändern, müssen wir erstens besser und zweitens weniger messen.
„Besser messen“ meint dabei zweierlei. Zum einen geht es darum, für wissenschaftliche Qualität auch über qualitative Indikatoren nachzudenken. Weil die Summe eingeworbener Drittmittel oder die Anzahl der Publikationen eher quantitative Produktivität messen, bedarf es geeigneter Messinstrumente für die Qualität von Forschung. Zum anderen sollte nicht nur Forschung gemessen werden, denn universitäre Tätigkeit umfasst weit mehr. Stattdessen ist den vielfältigen Rollen von Wissenschaftler*innen auch in Lehre, Selbstverwaltung, Mentoring, Wissenschaftskommunikation und anderen Aktivitäten (z.B. Begutachtungstätig- keiten) Rechnung zu tragen. Anstatt nur Forschung zu belohnen, sollte eine Messung auch diese Rollen abdecken. Warum nicht alle Professor*innen mit W3-Grundgehalt besolden und Gehaltszulagen an Forschung, Lehre, Selbstverwaltung, Mentoring oder Wissenschafts- kommunikation binden?
In diesem Szenario könnte die Grundbesoldung beispielsweise 80 Prozent des Einkommens ausmachen, die anderen 20 Prozent wären flexibel über exzellente Forschung oder beson- ders gute Lehre oder aktives Engagement für die Universität zu erreichen. Ein solches System könnte die Komplexität wissenschaftlicher Tätigkeit besser erfassen.
Doch auch mit differenzierteren Indikatoren bleibt das Grundproblem bestehen: Alle Indikatoren wirken zurück auf das, was sie vermeintlich neutral anzeigen. Daher gilt neben „besser messen“ auch „weniger messen“. Um dies zu erreichen, schlagen wir vor, zunächst an drei größeren Stellschrauben zu drehen: frühere Dauerstellen, weniger Drittmittel im Vergleich zur Grundfinanzierung und bessere Verfahren für Dissertationen. Unsere Vorschläge können – so unsere Überzeugung – eine Steigerung der Qualität sowohl der Wissenschaft als auch der Bedingungen für Wissenschaftler*innen bewirken.
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