Denkräume

Ausgabe #11

Magazin

Jürgen Hädrich, Rafaela Hillerbrand, Karin Hofstetter, Anke Jentsch, Tobias Jentsch, Kärin Nickelsen, Klaus Oschema, Melanie Schnell, Florian Steger (Hrsg.)
23.01.10

„Sie sollten wieder etwas frecher werden!“ Dies riet mir dieser Tage schmunzelnd ein älterer Kollege. Er meinte nicht mich persönlich, sondern die Junge Akademie, die im Sommer 2010 als erste deutsche Nationalakademie ihren zehnten Geburtstag feiert. Zeit also für ein Rückbesinnen auf frühere, anscheinend frechere Werte?

Ein Blick durch dieses Heft zeigt, wofür die Junge Akademie heute steht: Sie bildet einen „Denkraum“ für interdisziplinäre Forschung und Kommunikation mit der Gesellschaft – kreativ und engagiert, oft wunderschön zwecklos, manchmal ein bisschen selbstverliebt – genauso wie Wissenschaft sein sollte!

Aber sollte Wissenschaft, sollten wir als Junge Akademie auch frech sein? Frech ist die Junge Akademie dieser Tage nicht. Dafür schaffen wir uns aber unsere eigenen Denkräume. Wir stellen, ganz traditionell, anregende Preisfragen (S. 8), betreiben im Pergamonmuseum einzigartiges Göttertheater (S. 10), diskutieren in Projektgruppen, Ideenwerkstätten, Arbeitsgruppen, auf Sommerfesten und Plenarsitzungen sowie in Sommerschulen (nicht zuletzt zu Menschenrechten, S.16) und machen uns (k)ein Bild mittelalterlicher Herrscher (S. 27). Ganz neue Wege der interdisziplinären Zusammenarbeit erproben die „Grooving Factory“ (S.14) und die Werkstattgespräche zur Computersimulation als wissenschaftlicher Methode (S. 4), während Simone Schütz-Bosbach den Menschen als Denk-Raum interpretiert (S. 18). Exemplarische Gestalter von Denkräumen sind auch die beiden in diesem Heft porträtierten JA-Mitglieder Kärin Nickelsen (S. 20) und Matthias Warstat (S. 22).

Fraglich ist, ob die Junge Akademie jemals frech war. Und fraglich ist, ob die Junge Akademie überhaupt frech sein sollte. Es wäre ja etwas zutiefst Braves, auf Zuruf frech zu werden. Und brav wollen wir auch nicht sein!

Das einzig Freche – oder eher das Schräge oder Bunte – an der Jungen Akademie ist, dass sie schon durch ihre Existenz das übrige, oft etwas graue Wissenschaftssystem in Deutschland hinterfragt. Denn unsere Denkräume sind Spielräume für konstruktives Handeln, zum Aufzeigen von Alternativen, für das Nachdenken und das Nachmachen.

Die Junge Akademie ist auch im zehnten Jahr ihres Bestehens ein notwendiger Luxus in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Die Mitglieder zeigen durch ihr Handeln, wie bereichernd Wissenschaft sein kann, und wollen so andere anregen, mehr für die Wissenschaft zu tun. Die Junge Akademie: Luxus und Notwendigkeit!

Wir verstehen uns als Vorbild – in Deutschland und darüber hinaus. Wie aktuell das Modell Junge Akademie ist, zeigt die Tatsache, dass viele Länder bereits eigene Nachwuchsakademien gegründet haben oder gründen möchten. Darin unterstützen wir sie tatkräftig. Auch fördern wir die Gründung einer europäischen und einer globalen Nachwuchsakademie, unter anderem durch einen Workshop im Februar 2010 in Berlin.

Wir verstehen uns vor allem als ein Ort der Freiheit: Freiheit von kanalisierter Forschung, unterbewerteter Lehre und überufernder Verwaltung. Freiheit für Spontaneität, Dialog und Kollegialität – das sind unsere Werte, das praktizieren wir in unserer Akademie-Arbeit. Mir persönlich ist nicht wichtig, ob die Junge Akademie frech ist, mir ist wichtig, dass sie frei ist!

Tilman Brück

Sprecher des Vorstands der Jungen Akademie

beteiligte Alumni / Alumnae

Weitere Publikationen

    • Nur Mut!

      Freiheit und Faszination des Möglichen Lob der deutschen Universität Das verändert die Welt

      Themen:

      Karin Hofstetter, Anke Jentsch, Tobias Jentsch, Jörg Müssig, Kärin Nickelsen (Hrsg.)

      2009

    • Karin Hofstetter, Jürgen Hädrich, Tobias Jentsch, Sabine Koller, Cornelis Menke, Klaus Oschema, Melanie Schnell (Hrsg.)

      2011

    • Ungesagtes

      Unter dem Titel „Ungesagtes“ behandelt die aktuelle Ausgabe des Junge Akademie Magazins solche Aspekte, die man dem Objektivitätsideal von Wissenschaft als „subjektive“ Anteile eher gegenüber- und in Abzug stellen würde. Es geht einerseits um das, was das forschende Subjekt auf oft subtile Weise in die wissenschaftliche Arbeit hineinträgt: eigene Ansichten, Emotionen, Werte, den persönlichen Glauben. Andererseits ist der Einfluss alles Subjektiven auf menschliches Verhalten selbst auch Thema von Forschung.

      Themen:

      Garvin Brod, Simon Wolfgang Fuchs, Julia Gurol, Sebastian Hellmeier, Viola Priesemann, Mira Sievers

      Berlin 2023