Die AG Selbstorganisation beschäftigte sich mit dem naturwissenschaftlichen Konzept der „Selbstorganisation“, das auch als Paradigma für gesellschaftliche Zusammenhänge verwendet wird und zu einem transdisziplinären Leitbegriff der modernen Wissenschaft wurde. Die Arbeitsgruppe näherte sich dem Begriff durch interdisziplinäre Begriffsklärung, zum Beispiel in Interviews mit „Praktikern der Selbstorganisation“, sowie durch wissenschaftstheoretische und wissenschaftshistorische Betrachtung.
Die Kernidee der Selbstorganisation ist, dass aufgrund spezifizierter lokaler Interaktionen zwischen Elementen mit der Zeit langreichweitige Zusammenhänge entstehen, also Strukturen auf einer großen räumlichen Skala. In dieser Gestalt als thematisch nicht gebundenes Denkmuster liefert der Begriff der Selbstorganisation einen sehr allgemeinen Rahmen für formale und grundlegende Untersuchungen zum Zustandekommen von Strukturen etwa in Biologie, Physik oder der Gesellschaft.
Für die Junge Akademie war dieses Thema aus drei Gründen ein geeignetes Beschäftigungsfeld:
- Es schlägt eine Brücke zwischen Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften.
- Es hat gesellschaftspolitische Implikationen, da hier eingeschriebene Mechanismen sichtbar gemacht und mögliche Modeerscheinungen in wissenschaftlicher Methodenwahl aufgezeigt werden können.
- Die Chancen der transdisziplinären Sicht auf Selbstorganisation wurden in der bisherigen Forschung nicht ganz ausgeschöpft, auch wenn es eine Fülle von Monographien gibt, die den Begriff in ihren Titel aufnehmen (seit 1990 gar ein Jahrbuch Selbstorganisation) und er wissenschaftstheoretisch bereits in den Blick genommen wurde.
Mittels begriffs- und ideengeschichtlicher Studien wollte die Arbeitsgruppe klären, wann und in welchem Maße man „Selbstorganisation“ als wissenschaftliches Erklärungsmodell findet; woher diese Methode stammt (Gibt es eine „Leitdisziplin“?); welche Motive hinter der Durchsetzung des Begriffs stehen; ob es Beispiele für moderne theoretische Ansätze gibt, in denen sich dieses Denkmuster implizit findet; ob dieser Ansatz tragfähig und bleibend ist (zeichnet sich bereits der nächste Paradigmenwechsel ab?). Exemplarisch sollte außerdem ein Denksystem (zum Beispiel ein Rechtssystem) mit der Methode der Selbstorganisation analysiert werden.
Ziel war es, ein einfaches Erklärungsmodell zu entwickeln für das häufige Auftreten bestimmter Strukturen in einem Denksystem. Außerdem sollte die Möglichkeit, verborgene gesellschaftliche Mechanismen durch diese Methode aufzudecken, diskutiert und bewertet werden. Die Arbeitsgruppe veröffentlichte ihre Ergebnisse in einem Sammelband.