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Preisfrage 2017
Was hört das Netz?
Rechnernetze, Spionagenetze, Verkehrsnetze, Vermessungsnetze, Produktions- und Distributionsnetzwerke, soziale Netzwerke in Kunst, Wissenschaft, Politik, neuronale Netze…. Was hören sie? Wie klingen sie? Was ist ihre Geschichte? Wer vernetzt sich mit wem? Wer verbindet sich? Wer hört mit und wie viel? Wer verstrickt sich? Wer bleibt außen vor? Was bleibt unsichtbar, aber nicht ungehört?
Mit dieser Preisfrage möchte die Junge Akademie die gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche, künstlerische und technische Tragweite von Netzen und Netzwerken thematisieren.
„Was hört das Netz?“ steht als Projekt in einer längeren Tradition von 'Preisfragen' der Jungen Akademie, darunter zuletzt auch „Eine Frage für Europa“.
Akzeptierte Einreichungsformate waren:
a) Audio
b) Audiovisuell
c) Apps oder Webanwendungen
Die Gewinnerbekanntgabe sowie die Preisübergabe erfolgte auf der Festveranstaltung der Jungen Akademie am 10. Juni 2017 in Berlin. Je Kategorie wurden EUR 5.000 Preisgeld vergeben.
Unser Kooperationspartner war das Institut für Musik und Akustik am Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. Das Institut hat ausgewählte Beiträge auf einer Veranstaltung am 11. Juni 2017, präsentiert. Ein weiterer Kooperationspartner war Deutschlandfunk Kultur (Abteilung Radiokunst). Die Arbeiten von Lasse-Marc Riek und Johann Otten & Marvin Ester wurden in der Nacht vom 29. zum 30. Oktober in der Sendung Kurzstrecke präsentiert.
Preisträger
„Audio“
„EMFaudible“ – von Lasse-Marc Riek
Wie klingt unsere Welt im nicht hörbaren Bereich? Können Leuchtstofflampen singen, Energiesparlampen brummen, Taschenrechner knattern, Waschmaschinen pfeifen, Smartphones knarren, Laptops ticken, Oberleitungen rauschen? Der Künstler Lasse-Marc Riek erkundet die ungehörten Netze elektromagnetischer Felder (EMF). Er hat Signale aus Frequenzfeldern des urbanen Raums mittels Sensoren und Detektoren eingefangen, aufgezeichnet und daraus ein Hörstück entwickelt.
Lasse-Marc Riek (1975) bedient sich in seinem Schaffen unterschiedlicher Ausdrucksformen. Seine klangkünstlerischen Arbeiten beschreibt er mit den Begriffen Field Recording, Bioakustik und Soundscapes. Mit Ausstellungen, Konzerten, Lehraufträgen und Projekten ist er seit 1997 international aktiv und hat in Galerien, Künstlerhäusern, Kirchen und Museen gastiert. Er veröffentlicht auf internationaler Ebene und arbeitet u.a. für Deutschlandfunk Kultur und den WDR. Stipendien, Auszeichnungen und AIR-Programme hat er in Europa und Afrika wahrgenommen.
Er ist Mitbetreiber des Labels Gruenrekorder, das sich mit Soundscapes, Field Recordings und elektro-akustischen Kompositionen beschäftigt.
„Webanwendungen“
„The Nine Billion Names of God“ – von Yashas Shetty
Das Internet wimmelt von Pornoclips. Was verbindet diese mit Gott und Spiritualität? Das Programm „The Nine Billion Names of God“ filtert Pornodateien im Internet nach dem Ausruf „Gott“. Diese „Sehnsüchte“ und „Gebete“ verwandelt das Programm in mp3-Dateien. Es endet, sobald es neun Milliarden „Rufe nach Gott“ gesammelt hat. Der Künstler verknüpft die gewaltigen Auswüchse der Pornoindustrie im Netz mit spirituellen Fragen und verweist auf Arthur C. Clarkes Kurzgeschichte „The Nine Billion Names of God“: Tibetanische Mönche versuchen, alle Namen Gottes herauszufinden mit der Intention, damit das ersehnte Ende der Welt herbeizuführen. Vor 300 Jahren entwickelten Mönche ein Alphabet, durch das sie, ihren Berechnungen zufolge, alle möglichen Namen Gottes (etwa neun Milliarden) entschlüsseln könnten. Weitere 15.000 Jahre würden die Mönche benötigen, um die Namen weiterhin handschriftlich zu erfassen. Hier setzt Yashas Shettys Projekt an und erleichtert den Mönchen ihre Arbeit.
Yashas Shetty (1978) lebt und arbeitet in Bangalore/Indien und beschäftigt sich mit Media Art, Design und Technology. Er war Artist in Residence an verschiedenen Kunsthochschulen und Gründungslehrkraft des Centre for Experimental Media Arts der Srishti School of Art, Design und Technology. Seit 2007 hat er diverse Workshops initiiert, mal alleine, mal gemeinsam mit dem Hackteria Kollektiv, unter anderem an der Srishti School of Art, Design and Technology (2010) und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, MA/USA (2009).
Yashas Shetty erhielt das Stipendium des Charles Wallace India Trust sowie Anerkennungen in der Kategorie »Hybrid Arts« im Rahmen des Ars Electronica Festivals, Linz/Österreich (2011 und 2012). Für drei Monate war er Stipendiat des Programms art, science & business der Akademie Schloss Solitude im Bereich Exakte Wissenschaften (2016).
Preisträger „Audiovisuell“
„Data Leak“ – von Fabian Hemmert
Das „Leaken“ brisanter Daten und Dokumente aus dem Netz kursiert als ein Phänomen unserer Zeit. Das Projekt „Data Leak“ ist eng verbunden mit den Veröffentlichungskanälen von WikiLeaks. Durch Raum-Klang-Erlebnisse schärft es unser Bewusstsein dafür, wie viele Daten im Internet durchsickern. In der audiovisuellen Anwendung rattert für jedes Datenleck eine Information durch das Display und erzeugt ein Geräusch. Das Gerät arbeitet ohne Sprecher und generiert jedes Geräusch maschinell. Letzteres wirkt mal beruhigend wie ein Meeresrauschen, mal störend wie ein tropfender Wasserhahn und hebt so die ambivalente Natur des „Leakens“ hervor. Technisch basiert „Data Leak“ auf einem Arduino Yún Brett, das WikiLeaks‘ Twitter und RSS Publikationen kanalisiert. Das Arduino ist verbunden mit einer elektromechanischen 3x5-Schalter-Punkt-Darstellung.
Fabian Hemmert (1982) sucht nach Wegen, Technik menschlicher zu gestalten. Er arbeitete für Nintendo of Europe und Marvel Comics, im Sommersemester 2014 war er Vertretungsprofessor für Interface-Design an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Er forschte am Design Research Lab der Berliner Universität der Künste und ist heute Professor für Interface- und User Experience-Design an der Bergischen Universität Wuppertal. Seine vielfältigen Projekte und Arbeiten präsentierte er auf zahlreichen internationalen Events, unter anderem auf der TED, der Lift-Konferenz, dem EuroVision TV Summit und dem SXSW-Festival.